Rechtstipps & Urteile
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Zum Thema Erbrecht
- Ehegattentestament: Schlusserbeneinsetzung entfällt, wenn Schlusserbe trotz Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt
- Kein Nachrücken von Abkömmlingen: Klare Nacherbenregelung empfiehlt sich, wenn der eigentliche Erbe kein Abkömmling des Erblassers ist
- Keine amtliche Verwahrung: Im Gegensatz zum Erbvertrag selbst genießt die Rücktrittserklärung kein besonderes Schutzbedürfnis
- Pflichtteilsanspruch verjährt: Bruder ist als Vormund nicht verpflichtet, Ansprüche gegen sich oder Angehörige geltend zu machen
- Sittenwidriges Testament: Gerichtlich bestellte Betreuer müssen ihre Aufgaben ohne Erwartung von Zuwendungen erfüllen
Gemeinschaftliche testamentarische Verfügungen enthalten oft Klauseln, mit denen ein Pflichtteilsberechtigter auf seinen Pflichtteil begrenzt wird, falls er diesen nach dem Tod des Erstversterbenden geltend macht. Die sich gegenseitig einsetzenden Erben wollen damit sicherstellen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt. Diesen Umstand logisch aufzulösen, war im folgenden komplexen Fall Aufgabe des Oberlandesgerichts Hamm (OLG).
Hier war ein Streit darüber entstanden, ob ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament eine Schlusserbeneinsetzung beinhaltete. Die Erblasserin und ihr Mann hatten 1997 ein solches Testament errichtet und sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Im Jahr 2012 errichteten die Eheleute ein weiteres gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich zu Alleinerben einsetzten und darüber hinaus verfügten, dass ein Haus an die Tochter bzw. nach deren Tod an deren Sohn (den Enkel der Erblasserin) gehen sollte. Ein weiteres Haus sollte an den Sohn der Beteiligten übergehen. Sollte eines der Kinder diesen gemeinsamen letzten Willen nicht anerkennen, verfügten sie ferner, dass dieses nur seinen Pflichtteil bekäme.
Im Jahr 2016 ermordete der Enkel seinen Großvater und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Im gleichen Jahr verstarb auch die Mutter des Täters, Tochter der Erblasserin. Deren Witwer machte im eigenen Namen - aber auch für seinen im Gefängnis befindlichen Sohn - Pflichtteilsansprüche geltend. Im Jahr 2016 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihren Schwiegersohn zum Alleinerben ein. Das OLG musste sich mit der Frage beschäftigen, ob die ursprüngliche Verfügung der Eheleute bereits eine gemeinsame Schlusserbeneinsetzung beinhaltete, aufgrund derer die Erblasserin dann gehindert gewesen wäre, eine erneute davon abweichende Verfügung zu treffen.
Das OLG kam nach einer Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis, dass die Eheleute in der Verfügung aus dem Jahr 2012 bereits gemeinsam eine Bestimmung der Schlusserben vorgenommen hatten. Zwar hatten sie seinerzeit nur verfügt, dass die Tochter eine Immobilie und der Sohn die andere erhalten solle. Hierbei handelte es sich aber nach Ansicht des Gerichts nicht um eine Vermächtnisanordnung, sondern vielmehr um eine Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder als Miterben, verbunden mit einer Teilungsanordnung. Es könne nicht angenommen werden, dass der Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere Erben einsetzen zu wollen. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Pflichtteilsstrafklausel gestützt. Eine solche ist nur dann sinnvoll, wenn die Erblasser davon ausgegangen waren, dass die Kinder als Schlusserben des überlebenden Ehegatten bestimmt worden sind.
Hinweis: Besonders im Erbrecht sind die Kläger oft auf die gerichtliche Interpretation des eigentlich Gemeinten angewiesen. Um das Risiko einer fehlerhaften Auslegung der letztwilligen Verfügung zu minimieren, ist eine klare Formulierung darüber, wer Schlusserbe sein soll, empfehlenswert.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 27.01.2021 - 10 W 71/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Auch wenn der Titel "Mein letzter Wille" es im eigentlichen Wortsinn ausschließt, empfielt es sich dennoch, dabei stets noch einen Schritt weiter zu denken. Zwar kennt das Gesetz die Regel, nach der im Zweifel davon auszugehen ist, dass ein Erblasser beabsichtigt, dass bei einem Vorversterben seines berücksichtigten Abkömmlings dessen eigene Abkömmlinge an seine Stelle treten sollen. Dass bei unklaren Regelungen ein Gericht im Streitfall allerdings auch zu einem anderen Ergebnis kommen kann, zeigt das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) mit seinem folgenden Beschluss.
Die unverheiratete Erblasserin dieses Falls hatte selbst keine Abkömmlinge. Es existierte eine ältere Halbschwester, die ihrerseits zwei Kinder hatte. Im Jahr 1997 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament und setzte ihre Nichte und ihren Neffen zu gleichen Teilen als Miterben ein. Abgesehen von einer Grabpflegeanordnung wurden keine weiteren Verfügungen getroffen. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war der Neffe bereits vorverstorben. Dessen Kinder waren nun der Ansicht, als Abkömmlinge ihres vorverstorbenen Vaters als dessen gesetzliche Erben an seine Stelle getreten zu sein.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG jedoch nicht an. Die Zweifelsregel sei unmittelbar auf den Fall nicht anwendbar, da es sich bei den testamentarischen Erben nicht um Abkömmlinge der eigentlichen Erblasserin gehandelt habe. Aber auch aus einer Auslegung des Testaments sei nicht der Wille der Erblasserin zu entnehmen, dass ein "Nachrücken" der Kinder des Neffen gewollt war. Bei der Auslegung kommt es darauf an, ob der Neffe der Erblasserin um seiner Person willen als Erbe eingesetzt wurde oder als "Erster seines Stamms" berufen wurde. Die Umstände des Einzelfalls führten das OLG in diesem Fall zur Ansicht, dass hier keine Umstände festgestellt werden konnten, die eine Bestimmung eines Ersatzerben rechtfertigen konnten. Das Gericht ging daher von einer sogenannten Anwachsung bei der verbliebenen Miterbin aus.
Hinweis: Schwebt dem Erblasser ein konkreter Erbe vor, der um seiner Person willen berufen werden soll, empfiehlt es sich, für den Fall des Vorversterbens des Erben auch eine mögliche Bestellung eines Ersatzerben oder alternativ die gesetzliche Erbfolge nach dem vorverstorbenen Erben in Erwägung zu ziehen.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2021 - 3 Wx 132/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Ein notariell zu beurkundender Erbvertrag wird beim zuständigen Amtsgericht in amtliche Verwahrung gegeben, sofern die Vertragsschließenden die besondere amtliche Verwahrung nicht ausgeschlossen haben. Dann verbleibt der Erbvertrag in der Verwahrung des beurkundenden Notars. Was geschieht, wenn die Beteiligten einen Rücktritt von einem Erbvertrag notariell beurkunden lassen, und ob auch diese Rücktrittserklärung in amtliche Verwahrung gegeben werden muss, beantwortete das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) im folgenden Fall.
Der beurkundende Notar war der Ansicht, dass die Rücktrittserklärung von einem Erbvertrag wie auch der Erbvertrag selbst in amtliche Verwahrung zu geben seien. Dieser Ansicht hat sich das OLG in letzter Instanz jedoch nicht angeschlossen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Wortlaut des Gesetzes nur für den "Abschluss des Erbvertrags" gelte.
Die besondere amtliche Verwahrung soll eine sichere Aufbewahrung einer Verfügung von Todes wegen gewährleisten sowie den Inhalt der Verfügung geheim halten und vor Manipulationen jedweder Art schützen. Für den Rücktritt vom Erbvertrag ist allerdings nur erforderlich, dass die Erklärung dem Vertragspartner zugeht. Die Gefahr einer Manipulation der Rücktrittserklärung oder ein besonderes Geheimhaltungsinteresse bestehen in einem solchen Fall nicht.
Hinweis: Im Gegensatz zu Erbverträgen sieht das Gesetz bei notariellen Testamenten grundsätzlich vor, dass diese unverzüglich in besondere amtliche Verwahrung gebracht werden müssen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 22.12.2020 - 3 W 115/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Ist die Verjährung von Ansprüchen erst einmal eingetreten, können diese zumeist nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden. So unterliegen auch Pflichtteilsansprüche einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Ob einem Mann, der als Vormund seiner Schwester auf die Inanspruchnahme solcher Ansprüche in ihrem Namen verzichtet hatte, damit eine rote Linie überschritten hat, musste auf Drängen eines Sozialhilfeträgers das Oberlandesgericht Hamm (OLG) klären.
In dem Rechtsstreit ging es um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, die ein Sozialhilfeträger gegenüber dem Bruder der Leistungsempfängerin geltend gemacht hat. Die Leistungsempfängerin war aufgrund einer schweren intellektuellen Behinderung geschäftsunfähig. Bis zu seinem Tod war der Vater rechtlicher Betreuer seiner Tochter. Dieser hatte 1987 zwei Immobilien auf seinen Sohn unentgeltlich übertragen sowie sich und seiner Frau ein Wohnungsrecht an einer Immobilie einräumen lassen. Als der Mann 1989 verstarb, wurde die Ehefrau zur Alleinerbin. Ab 1990 war der Bruder rechtlicher Betreuer seiner Schwester. Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche hatte der Bruder in seiner Eigenschaft als Betreuer zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Nach dem Tod der Mutter leitete der Sozialhilfeträger 2017 Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Schwester auf sich über. Am OLG war es nun, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob Ansprüche des Sozialhilfeträgers zwischenzeitlich zu Recht verjährt waren.
Grundsätzlich beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Da der Bruder als gesetzlicher Vertreter bestellt war, war auf dessen Kenntnis abzustellen, so dass das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass ein solcher Anspruch zwischenzeitlich verjährt war. Dabei war es laut Ansicht des OLG eine nicht zu beanstandende Entscheidung des Bruders, Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche zunächst gegen die Mutter als Alleinerbin und später gegen sich selbst nicht geltend zu machen. Der Vormund ist nicht daran gehindert, von der Erhebung einer Klage bzw. der Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags im Namen des Mündels gegen sich selbst oder einen seiner Angehörigen abzusehen.
Hinweis: Die Einrede der Verjährung muss aktiv geltend gemacht werden und wird durch das Gericht nicht von Amts wegen berücksichtigt. Ist der Betreuer selbst eventuell dazu verpflichtet, Pflichtteilsansprüche auszugleichen, besteht die Möglichkeit, dass das Vormundschaftsgericht für die Berechtigte einen Ergänzungsbetreuer bestellt.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 22.12.2020 - 10 U 103/19
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Die "pflegende Erbschleicherin" hat es zu vielfachen Ruhm in diversen Thrillern geschafft. Dass erst jetzt ein Gesetzentwurf in Arbeit ist, der solch einem Treiben beruflicher Betreuer Einhalt gebieten soll, heißt aber nicht, dass es nicht bereits schon jetzt unter scharfer Beobachtung steht. Denn einem solchen sittenwidrigen Geschäft hat auch das Oberlandesgericht Celle (OLG) erst kürzlich ein klares "Nein!" entgegengehalten.
In dem zu entscheidenden Fall war der nicht verheiratete und kinderlose Erblasser 2012 verstorben. Seit dem Jahr 2005 war für den Erblasser eine Berufsbetreuerin bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Erblasser bis zu seinem Tod auf einer gerontopsychiatrischen Pflegestation untergebracht. Im Mai 2005 errichtete der Erblasser noch ein notarielles Testament, in dem er seine Berufsbetreuerin sowie einen "Seniorenbetreuer", der gelegentliche Besorgungen für den Erblasser erledigte, hälftig zu Miterben einsetzte. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die zur Erbin berufene Berufsbetreuerin die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, den das Gericht jedoch rechtskräftig zurückwies. In der Folge wurde ein Nachlasspfleger eingesetzt, der mit der Ermittlung von Erben und der Sicherung des Nachlasses beauftragt war. Im Zuge dieser Tätigkeit kam es dann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Nachlasspfleger und der Berufsbetreuerin, die in dieser Auseinandersetzung geltend machte, Miterbin nach dem verstorbenen Erblasser geworden zu sein.
Das OLG hat jedoch festgestellt, dass das notarielle Testament nicht nur wegen der damaligen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist - darüber hinaus war das Testament auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit komme es immer auf den konkreten Einzelfall an, wobei es nicht erforderlich sei, dass sich die Beteiligten bewusst darüber waren, dass das Rechtsgeschäft sittenwidrig sei. Es sei ebenso wenig erforderlich, dass mit dem Geschäft überhaupt eine Schädigungsabsicht verbunden sei. Ausreichend sei, dass der Handelnde die Tatsachen kenne, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit objektiv ergeben könne. Ein Betreuer ist ein vom Vormundschaftsgericht gestellter staatlicher Beistand zur Fürsorge in rechtlichen und persönlichen Angelegenheiten. Aus diesem Grund muss von ihm auch erwartet werden, dass er seine Aufgabe auch ohne die Erwartung besonderer Zuwendungen von Seiten des Betreuten ausübt.
Hinweis: In einem aktuellen Gesetzentwurf zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist ein Verbot vorgesehen, dass berufliche Betreuer Geld oder geldwerte Leistungen von den Betreuten annehmen dürfen.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 07.01.2021 - 6 U 22/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Zum Thema Familienrecht
- Antrag auf Verfahrenskostenhilfe: Ein werthaltiger Pkw kommt bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht gut weg
- Auszug allein reicht nicht: Schriftliche Klärung über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung nach Scheidung unerlässlich
- Keine Herausgabe vor Scheidung: Anspruch zum Gebrauch des Familienwagens ist in der Trennungszeit auch ohne Fahrzeugbrief einlösbar
- Kindergartenbesuch sozial förderlich: Gericht überträgt die Befugnis zur Impfentscheidung auf die Kindesmutter
- Kindschaftssache scheitert: Jugendamt kann selbst keine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung einlegen
Damit der Rechtsweg nicht zur Frage von arm und reich wird, gibt es für das Führen von gerichtlichen Verfahren den Anspruch auf staatliche Unterstützung, die im Familienrecht Verfahrenskostenhilfe heißt. Doch natürlich wird dafür im Vorfeld geprüft, ob nicht eventuell ein einzusetzendes Vermögen besteht, bevor der Staat einspringt. Ob und wann ein Auto unter jenem einsetzbaren Vermögen zu verstehen ist, musste im folgenden Fall das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) klären.
Ein Mann hatte Verfahrenskostenhilfe beantragt, obwohl der einen Pkw mit einem Wert von 15.000 EUR sein Eigen nannte. Zunächst einmal musste näher geprüft werden, ob in einem solchen Fall das Fahrzeug überhaupt notwendig sei. Ist das nämlich nicht der Fall, ist ein etwa vorhandener Pkw - und zwar völlig unabhängig von Größe und Wert - in jedem Fall zu Geld zu machen, um den Erlös zur Bestreitung der Verfahrenskosten einzusetzen. Ist das Fahrzeug jedoch aus beruflichen Gründen erforderlich, kommt es nach gerichtlicher Auffassung darauf an, ob es sich um ein höherwertiges Fahrzeug handelt. Nur ein günstiges Fahrzeug steht der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht im Weg. Somit ist ein teures Vehikel zu verkaufen und gegen ein günstigeres zu ersetzen. Der entsprechende Differenzbetrag ist dann für die Kosten des gerichtlichen Verfahrens einzusetzen. Und so hatte nach Bewertung des OLG auch im zur Entscheidung vorliegenden Fall ein solcher Austausch zu erfolgen.
Hinweis: Verfahrenskostenhilfe spielt gerade in der familienrechtlichen Praxis eine große Rolle. Dabei ist zu beachten: Wurde sie einmal gewährt, ist dies keine statische Entscheidung. Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen können zu einer Änderung der Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe führen. Und dies kann bis vier Jahre nach Beendigung des Verfahrens überprüft werden, für das die Bewilligung erfolgte.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.11.2020 - 13 UF 134/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Die eheliche Wohnung ist bei Trennung und Scheidung eine regelmäßig heikle Angelegenheit. Dass aber selbst bei Einigkeit darüber, wer bleibt und wer geht, zu Recht ein Interesse darin liegen kann, schriftliche Klarheit über das weitere Schicksal des Mietvertrags zu erlangen, zeigt der folgende Fall des Oberlandesgericht Hamburg (OLG).
Ein Ehepaar hatte gemeinsam eine Wohnung angemietet. Im Zuge von Trennung und Scheidung zog der Mann aus. So weit, so gut? Nicht ganz. Denn trotz augenscheinlicher Einigkeit der beiden verweigerte der Mann die abschließende Erklärung, aus dem Mietverhältnis auszuscheiden. Auch tat er sich lange Zeit schwer, den Schlüssel zur Wohnung abzugeben. Es reiche, dass er "praktisch" mit der Wohnung nichts mehr zu tun habe. Und da die Frau nach der Scheidung die Dinge abschließend geklärt wissen wollte, landete die Angelegenheit somit vor dem OLG.
Generell gilt gesetzlich, dass die einstigen Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung durch übereinstimmende Erklärung dem Vermieter mitteilen und bestimmen können, wer von ihnen das Mietverhältnis künftig allein fortsetzt und welcher Ehegatte somit aus dem Mietvertrag ausscheidet. Das Mietverhältnis mit dem ausscheidenden Ehegatten ende dann abschließend für die Zukunft. Somit verlangte die Frau die nachzuvollziehende Klarheit auch in den Augen des OLG völlig zu Recht. Faktische Verhältnisse reichen allein nicht - auch formal und damit durch ausdrückliche schriftliche Erklärung habe der Mann mitzuteilen, dass auch er mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses allein durch die Frau einverstanden sei.
Hinweis: In den meisten derartigen Fällen ist das Regelbedürfnis ein anderes: Der ausziehende Ehegatte muss darauf achten, nach der Scheidung aus dem Mietvertrag entlassen zu werden. Andernfalls kann er noch Jahre später belangt werden. Wenn beispielsweise der in der Wohnung verbliebene Ehegatte irgendwann Jahre später aus- und womöglich unbekannt verzieht, kann der Vermieter den vorher ausgezogenen Ehegatten wegen eventuell noch offener Mietzahlungen in Anspruch nehmen.
Quelle: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.11.2020 - 12 UF 131/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Wer was bekommt, ist in Trennungsfällen eine der heiklen Fragen, die oftmals erst durch die Gerichte zu beantworten sind. Ein hierbei heißbegehrter Haushaltsgegenstand ist das geliebte Familienauto. Und um genau dieses ging es einer Frau innerhalb der Trennungszeit - ein Fall für das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG).
Die Frau behielt ihr Fahrzeug in ihrem Besitz, verfügte auch über den Fahrzeugschein, nicht aber den Fahrzeugbrief. Diesen hatte der Mann in seinem Besitz, und die Frau verlangte von ihm dessen Herausgabe. Doch diesem Antrag entsprach das OLG nicht.
Das Familienfahrzeug ist - unabhängig von der Frage, wem es gehört und/oder wer der Halter ist - nicht einfach ein Vermögens-, sondern im Familienrecht gleichzeitig auch ein Haushaltsgegenstand. In der Trennungszeit - also in der Zeit von Trennung bis Scheidung - hat jener Anspruch darauf, der ihn zur Führung des Haushalts benötigt. Dieser Anspruch ist in der Trennungszeit jedoch lediglich ein Anspruch zum Gebrauch, mehr auch nicht. Zum Gebrauch eines Fahrzeugs ist neben dem Fahrzeug selbst auch nur der Fahrzeugschein erforderlich, nicht aber der Fahrzeugbrief. Deshalb habe die Frau auch hinzunehmen, dass sie in der Trennungszeit nicht auch über diesen Brief verfüge.
Hinweis: Nach der Scheidung hat jeder Ehegatte Anspruch auf sein Eigentum. Dann hat im vorliegenden Fall der Mann den Fahrzeugbrief auch herauszugeben. Besonderheiten gelten dann lediglich für Haushaltsgegenstände, die im gemeinsamen Eigentum stehen. Diese sind dem zuzugestehen, der in stärkerem Maße darauf angewiesen ist, wobei der andere dann Anspruch auf eine angemessene Ausgleichsleistung hat. Während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschaffte Gegenstände gelten im Zweifel als gemeinsames Eigentum - unabhängig davon, wer diese bezahlt hat.
Quelle: OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.10.2020 - 13 UF 114/20
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(aus: Ausgabe 04/2021)
Nicht erst durch die Coronapandemie ist das Impfthema eines, an dem sich die Geister scheiden. So ist es für die Gerichte nichts neues, dass sich Eltern mitunter nicht einigen können, ob sie ihren Nachwuchs impfen lassen sollten. Auch der folgende Fall konnte erst durch das Amtsgericht Dienburg (AG) geklärt werden.
Die unverheirateten Eltern eines zweijährigen Kindes, das seit der Trennung bei der Mutter lebt, teilen sich dessen elterliche Sorge. Schließlich wollte die Mutter wieder arbeiten und den Sohn während ihrer Arbeitszeiten im Kindergarten betreut wissen. Die dazu notwendigen, altersentsprechenden Standardimpfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts wollte die Mutter vornehmen lassen. Der Vater wehrte sich hingegen - zum einen wegen Bedenken gegen Impfungen, zum anderen weil er den Kindergartenbesuch des Jungen für komplett überflüssig ansah. Er sei schließlich arbeitslos und könne das Kind selbst betreuen.
Das AG hat die Befugnis, die Entscheidung über die Impfung zu treffen, auf die Mutter übertragen, da die Impfentscheidung von erheblicher Bedeutung sei. Eine solche sei zwar generell von beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam zu treffen - da sie sich aber nicht einigen konnten, habe das Gericht diese Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu übertragen. Bei der Abwägung stand für das AG im Vordergrund, dass der Kindergartenbesuch für die soziale Entwicklung eines Kindes in der Regel förderlich ist. Da dazu die Impfung Voraussetzung ist, könne sie nicht umgangen werden. Stattdessen das Kind vom Vater betreuen zu lassen, bringe dabei wenig, da sich die Impffrage dann lediglich auf später verlagere, wenn das Kind in die Schule komme.
Hinweis: Die Entscheidung betrifft nicht generell die Frage nach Impfschutz, sondern nur die nach Impfen als Voraussetzung, um das Kind in den Kindergarten geben bzw. zur Schule anmelden zu können.
Quelle: AG Dieburg, Beschl. v. 07.12.2020 - 51 F 308/20 SO
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(aus: Ausgabe 04/2021)
So brisant der folgende Fall auch ist, zeigt er auch besonders deutlich, wie wichtig es ist, den korrekten Rechtsweg zu beschreiten. Daher ist es besonders in Kindschaftssachen wichtig, darauf zu achten, wer welche Rechte und Möglichkeiten hat. Sonst geraten die Dinge aus dem Lot - so wie im folgenden Fall, der in seiner Konstellation nicht an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätte herangetragen werden sollen.
Ein Kind lebte bei seiner Mutter, die das alleinige Sorgerecht innehielt. Dann zog die Frau mit der Tochter zu ihrem Partner. Das Heikle an der eigentlich selbstverständlich erscheinenden neuen Lebenssituation war, dass dieser Mann ein Jahr zuvor wegen Sexualstraftaten an Kindern zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Und so kam das Jugendamt ins Spiel. Über mehrere Instanzen endete das Verfahren damit, dass entgegen der Anregung des Amts der Mutter die elterliche Sorge nicht entzogen wurde. Sie wurde lediglich angehalten, eine Familienberatung aufzusuchen. Gegen diese Entscheidung legte das Jugendamt schließlich Verfassungsbeschwerde ein.
Das BVerfG wies die Verfassungsbeschwerde jedoch zurück, ohne in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen. Denn das Gericht erkannte darauf, dass das Jugendamt nicht berechtigt war, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dazu hätte es in eigenen Rechten verletzt sein müssen - und nicht die Rechte des Kindes. Denn das Kind wurde von einem Verfahrensbeistand vertreten, der die Entscheidung des Vorgerichts hingenommen hatte, weswegen das Jugendamt dagegen vorging. Stattdessen hätte aber ein Ergänzungspfleger bestellt werden können, damit dieser die Verfassungsbeschwerde im Namen des Kindes hätte einlegen können. Das war aber nicht geschehen. Allein der Umstand, dass das Jugendamt mit der Sache befasst war und sich um das Kind zu kümmern hat, berechtigt die Behörde aber nicht, den Fall vor das BVerfG zu bringen.
Hinweis: Der Fall zeigt, dass es in Kindschaftssachen nicht einfach nur um die Frage geht, was im Sinne des Wohls des Kindes richtig oder falsch ist. Wichtig ist auch, dass die gesetzlichen Regeln für das Vorgehen eingehalten werden. Das ist den oft bzw. meist emotional unmittelbar Beteiligten nur schwer möglich. Wichtig ist es deshalb, einen Berater zur Seite zu haben, der mit distanziertem Blick die Sache betrachtet und konstruktiv weiterhilft.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 15.12.2020 - 1 BvR 1395/19
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(aus: Ausgabe 04/2021)